Das einzige ehrliche Automobil Teil I

Winter 2002

Von 1961 bis 1979 importierte die Settelen Autohandels AG Checker-Automobile. Dieser und der zweite Artikel liefern Antworten auf wiederholte Fragen zu diesem Thema aus dem Leserkreis.

Ein lückenhafter Beitrag zu einer Tellerwäscherkarriere

Morris Markin, Gründer und Besitzer des «Nischenplayers» Checker, verstand es, viele Fakten, die zu seiner steilen Karriere geführt hatten, zu verschweigen. Deshalb wird es auch in Zukunft wohl niemandem gelingen, seine Geschichte nur halbwegs vollständig zu schildern.

Der Russe Markin kommt 1912 als Textilarbeiter in Ellis Island an. Der Hausmeister dieses Immigrantenlagers leiht dem knapp 20-jährigen Juden 25 Dollars, damit er einreisen kann. Englischkenntnisse hat er keine. Er kommt in der Schneiderei seines Onkels in Chicago unter. Nach dessen Tod übernimmt er den Betrieb und lässt seine sieben Geschwister nachkommen. Mit dem Kauf einer Kleiderfabrik, die während des Ersten Weltkrieges Soldatenuniformen herstellt, profiliert er sich als Unternehmer. Seine Geschäfte florieren. Er leiht einem Ingenieur, der für die «Checker Taxi Company», Chicago, die Karosserien für die von dieser bevorzugte «Commonwealth»- Fahrgestelle baut, 15 000 Dollars. Als sein Schuldner illiquid wird, übernimmt Markin 1921 diesen Betrieb, der neu unter «Markin Auto Body Corporation» firmiert. Das Kleidermachen überlässt er seinen Geschwistern.

Schon bald kauft Markin auch die «Commonwealth Motor Corporation», die ebenfalls mit finanziellen Problemen kämpft. Seine Autofabrik nennt er im Mai 1922 «Checker Cab Company», am 18. Juni läuft der erste Checker vom Band.

Ein Jahr später verlegt Markin seinen Produktionsstandort von Chicago nach Kalamazoo, Michigan - möglicherweise als Folge eines Bombenanschlages auf sein Domizil. Der Umzug erlaubt ihm, die Produktionskapazität von 1500 auf 4000 Taxis pro Jahr zu erhöhen.

Mittlerweile hat er auch seinen Hauptkunden, die «Checker Taxi Company», übernommen. Ihr alleiniger Konkurrent auf dem Platz Chicago ist die «Yellow Cab Company» des österreichischen Immigranten Hertz, dem späteren Gründer von «Hertz-Rent-a-Car». Die zwei «Newcomer» schenken sich nichts. Ein eigentlicher Taxikrieg bricht los - es wird behauptet, die beiden hätten ihre Chauffeure hauptsächlich nach deren Durchtriebenheit und Oberarmumfang ausgewählt. 1929 kauft Markin seinem Widersacher das Taxigeschäft ab und fasst sein Taxiimperium sowie weitere, in der Zwischenzeit im ganzen Land aufgekauften Taxi- und Busbetriebe unter dem Namen «Parmalee Transportation Company» zusammen. Damit schafft er sich nicht nur in Chicago und weiteren Städten ein Taximonopol, sondern garantiert seiner Taxifabrik eine kontinuierlich hohe Produktionsauslastung. In den besten Jahren soll die Produktion bei über 12 000 Taxis gelegen haben. Diese rasante Expansion finanziert Markin, indem er seine Autofabrik bereits 1923 an die Börse bringt. Der Börsencrash von 1929 und die anschliessende Depression, die bis zum Ende der 30er-Jahre andauert, löst in der amerikanischen Automobilindustrie einen brutalen Verdrängungswettbewerb aus. Nur die drei Grossen (GM, Ford, Chrysler) sowie fünf Mittelgrosse und der kleine Checker überleben. 1933 werden auch bei Checker die üblichen Sparmassnahmen, u.a. mit Entlassungen beim Personal und im Verwaltungsrat, eingeleitet. VR-Präsident Morris Markin wird gefeuert. Dieser lässt sich diesen Affront nicht bieten. Sein Freund E.L. Cord löst Markins Option auf 60% des Checker-Aktienkapitals ein. Markin macht sich wieder zum Präsidenten und schickt seine aufmüpfigen Bord-Kollegen in die Wüste.

Zwischen November 1935 und April 1936 verzehnfacht sich der Börsenkurs der Checker-Aktie. Gegen Markin und Cord werden Vorwürfe wegen illegaler Kursmanipulationen laut, es kommt aber zu keiner Verurteilung. Cord sieht sich gezwungen, auszusteigen. Damit ist Markin wieder Besitzer der «Checker Motors Corporation» und bleibt deren Präsident bis zu seinem Tode am 7. Juli 1970.

Danach übernimmt sein Sohn David Markin das Steuer der Firma. David wird vorgeworfen, dass ihm das «feu sacré» seines Vaters fürs Taxi-Business fehle und er nur auf den «Shareholder Value» aus sei. Schon zur Zeit von Morris waren Teile der «Parmalee» veräussert worden, was den Produktionszahlen kaum förderlich war. Da am bewährten Produkt über Jahrzehnte hinweg wenig Änderungen notwendig waren, genügte dem Betrieb ein bescheidenes technisches Büro. Dies ändert sich in den 70er-Jahren radikal, Sicherheits- und Umweltvorschriften verlangen zunehmend nach einer massiven Verstärkung der Ingenieurkapazitäten. Bei einer gleich bleibenden Produktion von ca. 5000 Autos pro Jahr führt dies zwangsläufig zu massiven Preiserhöhungen. David Markin versucht die Flucht nach vorne und will in grösserem Massstab «zivile» Autos bauen. Er findet dafür private Geldgeber und auch den geeigneten Projektleiter in der Person von Edward E. Cole, dem ehemaligen Präsidenten von General Motors. Cole stürzt am 2. Mai 1977 auf dem Flug nach Kalamazoo ab. Mit ihm stirbt auch das Projekt. David Markin investiert nun verstärkt in die Fertigung von Automobilkomponenten (Karosserie- und Chassisteilen bis hin zu vormontierten Modulen) für Kleinserien der grossen Drei und greift damit dem aktuellen europäischen Trend vor. Mit dieser Art von Lohnaufträgen beschäftigte sich Checker schon in den 1940er-Jahren. Die restrukturierte Checker-Mini-Autofabrik verfügt über eine Flexibilität, die bei den Grossen nicht einmal ansatzweise vorhanden ist. Die Herstellung eigener Autos wird der Komponentenherstellung geopfert. Der letzte Checker, ein silberner A11, läuft am 12. Juli 1982 vom Band. Er kann im Gilmore Museum, Hickory Comers, Michigan, bewundert werden.