Der Hofmeister und die Burgfräuleins

Winter 1999
Zur Erinnerung an Fritz Schmutz (22. August 1909 - 14. Juli 1999)

Am 19. Juli 1999 trafen sich die Pensionierten der Settelen AG auf dem Friedhof Allschwil, um Abschied von ihrem langjährigen Mitarbeiter und Vorgesetzten Fritz Schmutz zu nehmen. Damit wurde die legendäre Tradition des Hofmeisteramtes in unserer Firma endgültig zur Geschichte.

Am 22. Februar 1937 trat Fritz Schmutz als Hofmeister in die Droschkenanstalt Settelen ein. Hans Settelen hatte das berufliche Potenzial des Dragonerfeldweibels im WK erkannt und ihn in die Firma gebracht. Aufgewachsen war Fritz Schmutz als Pächtersohn auf dem riesigen Bauerngut «Burgfelderhof», der heutigen PUK. Dort hatte er nicht nur von Kindesbeinen an selbst erlernt, mit Pferd und Wagen umzugehen, sondern auch aus nächster Nähe verfolgen können, wie ein Betrieb gemanagt wird. Settelens junger Hofmeister übernahm eine grosse Aufgabe. Er war verantwortlich für die Gesundheit und die Einsatzbereitschaft der Pferde sowie für die Funktionstüchtigkeit von Anhängern, Lastwagen und Traktoren. Er entschied, welches Pferd zu beschlagen sei oder welche Fahrzeuge, Geschirre etc. in die Werkstatt mussten. Er war für Ordnung und Sauberkeit in den Ställen, Remisen und auf dem Hof verantwortlich und sorgte für den rechtzeitigen Nachschub von Futter und Streue.

Ein besonders scharfes Auge hatte er auf die Einhaltung des strikten Rauchverbotes auf dem Hof, in den Ställen und auf dem Heustock; ausserdem führte er einen ständigen Kampf gegen den damals grassierenden, übermässigen Alkoholkonsum bei den Transportarbeitern. Fuhrleute, die Druckstellen bei den ihnen anvertrauten Pferden nicht rechtzeitig entdeckten oder mit diesen brutal umgingen, sowie Chauffeure, die fahrlässig Fahrzeuge verschlissen, liess er kurzerhand vor die Türe stellen. Gute Mitarbeiter, denen ein Missgeschick zustiess, verteidigte er bei seinen Vorgesetzten. Bereits im Sommer 1945 wurde er zum Depotchef befördert. Damit wurde er zuständig für den Einsatz aller Möbel- und Sachentransportfahrzeuge und deren Personal. Zu seiner Aufgabe gehörte jetzt auch der Verkauf von Transportleistungen an das Bauhaupt- und -nebengewerbe sowie von Schwer- und Spezialtransporten. Da Schmiede, Wagner und Sattler häufig bei Transportaufträgen kurzfristig einspringen mussten, waren diese Werkstätten ebenfalls ihm unterstellt. Den stetig wachsenden Aufgabenbereich bewältigte der «Bauernsohn» trotz der sich ständig wandelnden Arbeitstechnik bestens. 1952 wurde er zum Prokuristen befördert.

Mit ungebremster Energie trug er weiterhin viel zur Modernisierung des Betriebes bei und leistete einen grossen Beitrag an das qualitative und materielle Wachstum unserer Firma. Nur sehr schweren Herzens trat Fritz Schmutz am 31. Dezember 1977 in den Ruhestand. «Seine» Firma bedeutete ihm enorm viel - seine Töchter sagen sogar, «so gut wie alles».

Mit der Ernennung zum Depotchef 1945 bezogen Fritz Schmutz und seine Gattin Frieda zusammen mit ihren Töchtern Elisabeth, Ruth und Erika die Dienstwohnung im ersten und im zweiten Obergeschoss des Bürogebäudes. Der Pferdebetrieb machte es damals unabdingbar, dass eine kompetente Person jederzeit helfend eingreifen konnte. Zwar waren auch ausserhalb der Bürozeit immer mindestens ein Portier und ein Wagenwäscher im Betrieb, wobei Letzterer nachts, mit einer Stechuhr bewaffnet, regelmässige Runden durch das ganze Areal, inkl. Ställen, Heustock etc., zu absolvieren hatte. Entdeckte er eine Unregelmässigkeit, so hatte er den Depotchef zu wecken. Obwohl der letzte Settelen-Gaul schon 1957 pensioniert worden war, blieb bis zum Auszug der Taxis im Januar 1965 der 24-Stunden-Betrieb inkl. Wachrunden bestehen. Die Töchter Schmutz, die im Verlaufe der Jahre zu ausnehmend hübschen Damen heranwuchsen, bewohnten das mit zinnenartigen Aufbauten geschmückte Dachgeschoss. Sie wurden deshalb vom Settelen-Personal liebevoll als «die Burgfräuleins» bezeichnet und verstohlen bewundert. Dieser Begriff war nahe liegend, qualifizierte doch einst ein Fachmann maliziös den Baustil der Geschäftsliegenschaft als «deutschen Burgen-, Bahnhof- und Bierbrauereien-Stil». Nach abgeschlossener Berufslehre zogen Elisabeth, Ruth und Erika Schmutz im Verlaufe der Sechzigerjahre in die weite Welt hinaus. Frieda Schmutz, die wegen ihrer stillen, vermittelnden und hilfreichen Art von den Mitarbeitern verehrt wurde, erlag 1963 einer heimtückischen Krankheit.

Drei Jahre später heiratete Herr Schmutz nochmals und zwar die Settelen-Buchhalterin Yvonne Völlmy. Gemeinsam mit ihr verlegte er sein Domizil am 1. April 1970 nach Allschwil. Die ohnehin nicht besonders praktische Dienstwohnung wurde in der Folge zu Büroräumen umfunktioniert.

Am 22. September 1999 besuchten die drei «Burgfräuleins» ihre alte Heimat. Auf einem ausgedehnten Betriebsrundgang wurden alte Reminiszenzen wieder lebendig. Trotz einer gewissen Wehmut bewunderten die Geschwister die in den letzten 30 Jahren vorgenommenen Veränderungen. Sie bedauerten, dass ihr verstorbener Vater den heutigen Betrieb nicht mehr sehen konnte; er hätte daran bestimmt eine grosse Freude gehabt.