Die Settelen Lagerhaus-Story

Frühling 2000
Gute Möbel waren über die Jahrhundertwende hinaus das Produkt von Handwerksbetrieben, die sie meist nach den exakten Vorstellungen ihrer Kunden einzeln angefertigten. Nach heutigem Massstab waren sie zwar unverhältnismässig teuer, dafür in aller Regel schier unverwüstlich. Sie waren von hohem persönlichem Wert und wurden über Generationen hinweg vererbt. Da der Wohnraum in den Städten immer knapp war, wurden überzählige Möbelstücke in Estrichen, Wagenremisen und dergleichen aufgestapelt. Feuchtigkeit, Feuer, Motten und nicht zuletzt die früher allgegenwärtigen Mäuse und Ratten sorgten leider allzuhäufig für ein unrühmliches Ende der «guten alten Stücke».

Da der Transport von Umzugsgut zwangsläufig zu Zwischenlagerungen führt, war es naheliegend, dass Julius Settelen beim Neubau seiner Geschäftsliegenschaft im Jahre 1907 dem Architekten die Vorgabe machte, ihm ein gut durchlüftetes, aber absolut feuer-, wasser- und nagersicheres Möbellager zu erstellen. Zum Bau dieses Lagers im 1. Stock des Gebäudetraktes entlang der Birkenstrasse wurden ausschliesslich Bruchstein, Eisenbeton und Eisen verwendet; zur Krönung kam ein doppeltes Dach darauf. Durch den Raum selbst führten weder Frischwasser- noch Ablaufrohre. Der Wasseranschluss und die Haspel samt Feuerwehrschlauch mit messingnem Wendrohr träumten bis zu ihrer Demontage im Jahre 1976 ungebraucht im Erdgeschoss des mächtigen Treppenhauses vor sich hin.

Zu Beginn füllte sich das neue Lager nur sehr zögerlich. Erste Mieterin war Fräulein Elisabeth Kearny – offensichtlich eine Bretonin. Ihre Aussteuer wurde am 5. März 1908 vom Tapezierermeister Schaub angeliefert und später nach Pont l'Appe, im französischen Departement Finistere, weiterspediert. Am Jahresende beanspruchten ganze drei Mieter lediglich 40,5m2 des 220m2 messenden Lagers A. Erst 1910 belebte sich die Nachfrage ein wenig, um dann mit dem Beginn des Ersten Weltkrieges förmlich zu explodieren. 1919 waren 2'069m2 Lagerfläche belegt. Kurz nach Kriegsende fiel die Ausnutzung der Lagerfläche auf das Vorkriegsniveau zurück. Erklären könnte man diesen kurzen Boom damit, dass damals eine grosse Zahl der in der Schweiz lebenden Ausländer ihre Haushalte auflösten und dem Rufe ihrer Fahne folgten. Auffallend viele Lagerpartien wurdennach Friedensschluss nach Deutschland, Frankreich und Österreich versandt. Nach langen Jahren des «Dahindümpelns» brachte die Weltwirtschaftkrise sowie die ausbrechende Hitlerei in Deutschland dieser Sparte einen bescheidenen Aufschwung. Der Zweite Weltkrieg löste dann – wie schon der Erste 25 Jahre zuvor – eine kaum zu bewältigende Nachfrage aus. Diese hielt nach dem Krieg an, denn ein neuer Kundenstamm zeigte jetzt ein reges Interesse an unserem Möbellager. Bestand in den Anfängen die Mieterschaft fast ausschliesslich aus Privatpersonen – mehrheitlich Frauen, so nutzten nun vielfach Firmen unser Angebot für ihre temporär ins Ausland versetzten Mitarbeiter.

Seit 1908 änderte Settelen einiges, sogar Grundlegendes in der Lagertechnik. Schon von Anbeginn störte es einige Kunden, wenn ihr Möbelstapel im so genannten Offenlager neben anderer Leute Möbel stand. Bereits 1933 wurden deshalb die Lager B und C in ein Kabinenlager unterteilt. Diese Partien lagerten nun in einzeln verschliessbaren Boxen. Damit wurde man zwar einem Kundenwunsch gerecht, aber die Ausnutzungsziffer der Lagerfläche verminderte sich zunehmend, denn die Grösse der Kabine entsprach meist nur dem Flächenanspruch des Erstmieters. Weltweit herrschte die Fachmeinung, dass Möbel, die in dicht verschlossenen Räumen aufbewahrt werden, zwangsläufig und unwiderruflich muffig zu riechen beginnen. Bei geringer Luftfeuchtigkeit - Föhn - wurden deshalb die Fenster unseres Möbellagers weit geöffnet, was Motten freien Zugang zu vorzüglichen Brutplätzen verschaffte. Dieser Gefahr begegnete man damit, dass im Zweijahresrhythmus die Möbelstapel auseinander genommen, Teppiche entrollt, Polstermöbel ausgepackt und mit Bürste und Staubsauger gereinigt wurden, um dann alles reichlich mit neuen Kampferkugeln und -säcklein versehen, neu zu verpacken und zu stapeln. Das roch zwar gut, war aber letztlich eine enorm kostspielige Sisyphusarbeit!

Erst die von der J. R. Geigy in den 1950er-Jahren auf den Markt gebrachten synthetischen Mottengifte garantierten bei Wollgeweben einen dauernden Schutz vor Insektenfrass. Zusammen mit dieser Neuerung begann sich bei Settelen die Überzeugung durchzusetzen, dass trockener Hausrat, der in einen wirklich trockenen Raum eingebracht wird, nie zu «müffeln» beginnt. Was lag da näher, als Möbel in grossen, genormten Mehrwegkisten zu lagern? Personalknappheit und die laufende Perfektionierung der Flurfördermittel (Hubstapler, Palettwagen) veranlassten Settelen Mitte der 1960er-Jahre, mit der Palettierung des Möbellagers Ernst zu machen. Nach umfangreichen Vorarbeiten wurden in eigener Regie im Spätherbst 1969 die ersten 60 Möbellagercontainer hergestellt. Bereits bis zum Jahresende belegten zehn Kunden die neuen Container. Obwohl Settelen als erste Firma der Schweiz und unseres Wissens als zweite Firma Europas dieses neue Möbellagersystem propagierte, stiess sie damit bei ihrer Kundschaft spontan auf einhellige Zustimmung. Bahnbrechend war, dass das Eigentum des Kunden an seinem Domizil und unter seiner Aufsicht inventarisiert und in den Container verpackt wurde. Dieser blieb bis zur Rücklieferung verschlossen. Mit dem Containerlagersystem warb Settelen seinen Berufskollegen - eigentlich ungewollt - Kunden ab. Dies führte dazu, dass, trotz wesentlich höherer Nutzungsziffer, der Raum wieder knapp zu werden drohte. In der Folge der Erdölkrise (1973/74), die für das Transport- und Garagengewerbe eine arge Zäsur bedeutete, entliess Settelen keine Mitarbeiter, sondern nutzte deren frühere Berufsausbildung. Man riss das Kabinenlager heraus und reorganisierte die Gebäude so, dass durchgehende, grosse Lagerflächen entstanden. 1975 war die Reorganisation abgeschlossen. Das 70-jährige, grundsolide Gebäude bot nun Raum für gut 500 Lagercontainer.