Firmengründer Julius Settelen Teil II

Sommer 2006

 

In verschiedenen geschichtlichen Persönlich-Beiträgen lasen Sie Episoden aus unserer Firmengeschichte. Zwangsläufig wurden Sie dabei mit dem Namen und dem Werk des Firmengründers Julius Settelen konfrontiert. In der letzten Nummer konnten Sie sich über die Jugendzeit, den Einstieg ins Geschäftsleben und den Überlebenskampf mit dem Rösslitram informieren. In dieser Ausgabe geht es um die Familiengründung und seinen beruflichen Aufstieg.

Der geschäftliche Überlebenskampf

Um einen Hausstand zu gründen, brauchte man früher Bargeld und ein geregeltes Einkommen. Über beides verfügt Julius Settelen vorerst nicht: Ein Teil seines Vermögens ist im Konkurs seines zukünftigen Schwiegervaters untergegangen, der Rest ist in der Schneiderei seines Bruders Victor an der Freien Strasse 17, an der er bis 1897 beteiligt ist, blockiert. Obwohl sie sich bereits 1880 «ewige Treue» versprochen haben, heiraten Julius Settelen und Julie Dorothea Imhoff erst am 13. Januar 1887.

Julie wird am 25. März 1864 in Basel geboren. Sie wächst zusammen mit sechs Geschwistern auf. Die Primarschule besucht sie im «Steinenchlösterli", am Ort des heutigen Stadttheaters. Es folgen fünf Jahre Töchterschule am Totengässlein und das damals obligate Welschlandjahr in einem Töchterinstitut in Vevey. Zurück in Basel erhält sie weiterführenden Klavierunterricht an der Musikschule, besucht Englisch-, Koch- und Nähkurse - kurz, sie lernt alles, was ein Mädchen aus gutem Bürgerhause können muss. Das junge Paar wohnt zuerst in einer anspruchslosen Wohnung an der Güterstrasse, etwas später an der Solothurnerstrasse 25, vis-à-vis der Geschäftsliegenschaft. Hier werden die drei Söhne geboren: Jules (1887 - 1951), Max (1894 - 1981) und Hans (1896 - 1959). Julie ist gross und schlank, wirkt eher fragil, sehr zurückhaltend und leise, strahlt aber eine natürliche Autorität aus ohne abweisend oder hart zu wirken. Zwischen Jules und Max erleidet sie mehrere Fehlgeburten und ihre Enttäuschung ist gross, als auch das dritte Kind ein Junge ist, so sehr hatte sie sich ein Mädchen gewünscht!

Die Basler Droschkenanstalt Gebrüder Settelen

Julius, der fast zehn Jahre mit dem Rücken zur Wand für sein Rösslitram gekämpft hat, sucht nun die Flucht nach vorne. Er kauft zusammen mit seinem Bruder Ernst (1862 - 1928) am 16. Juni 1892 die «Basler Droschkenanstalt» der Witwe Louis Herdener an der Davidsgasse für die Summe von Fr. 280.000.-. Sie erwerben damit einen vielfältigen Wagenpark und 17 Standplatz-Konzessionen. Den Vorgang schildert Jean Keller in seinen Memoiren von 1942. 1891 wird seinem Vater Rudolf Keller  der Kauf der Basler Droschkenanstalt für Fr. 230.000.- angetragen. Dieser lehnt unter dem Vorwand ab, er sei zu alt und seine Söhne noch zu unerfahren. Seinen drei Söhnen gegenüber meint er: «… zudem sei die Droschkenanstalt hinter dem Spital verlocht und die Gebäulichkeiten von geringem Wert, so dass sich der genannte Preis kaum rechtfertigen liesse». Und: «Wahrscheinlich sei dieses Geschäft in späteren Jahren günstiger zu erwerben.» Am Mittwoch vor Auffahrt 1892 weiht Paul-Otto Keller den neuen Speisesaal des Hotels Victoria ein. Unter den geladenen Gästen ist auch Julius Settelen-Imhoff. Jean Keller: «Freudestrahlend kam er [Julius] auf uns Brüder zu und begrüsste uns als Kollegen, indem er bemerkte, heute Nachmittag habe er die Basler Droschkenanstalt Herdener käuflich erworben. Da er innert drei Jahren sein Tramgeschäft liquidieren müsse, war das für ihn ein günstiger Ersatz. Gross war unser Erstaunen, denn wir hatten hoffen dürfen, von der Besitzerin von ihrem Vorhaben zuvor in Kenntnis gesetzt zu werden.»

Interessant ist eine Notiz der Gebrüder Settelen von 1901, dass man für den Kauf des Betriebes Herdener mindestens Fr. 30'000.- zuviel bezahlt habe. Julius Settelen und die drei Keller-Brüder - Rudolf (*1867), Jean (*1868) und Albert (*1870), - die per 1. Januar 1894 den Betrieb mit 21 Pferden und vier Droschkenkonzessionen von ihrem Vater übernehmen, mischen in den kommenden Jahren den Basler Droschkenmarkt ganz schön auf. Dazu Jean Keller unter dem Untertitel «1907 Keller und Settelen einzige Droschkenkonzessionäre»: «Anno 1907 gab es nur noch zwei grosse Droschkenanstalten, Keller und Settelen. Erstere mit 36 Droschkenkonzessionen, letztere mit 32.» Was ist geschehen? Die Gebrüder Keller haben eine ganze Reihe kleiner maroder Droschkenhalter aufgekauft und die Droschkenkonzessionen auf ihren Betrieb übertragen. Sie sanieren zwei der übernommenen Firmen und bauen diese zu zusätzlichen Standorten aus. An jedem der über die Stadt verteilten drei Depots wohnt und leitet einer der Brüder den jeweiligen Betrieb. Dies garantiert eine straffe Betriebsführung und Kundennähe.

Mit «Quality Management» zum geschäftlichen Erfolg

Ernst und Julius Settelen verfügen mit der Übernahme der Droschkenanstalt Herdener im Jahre 1892 zwar über siebzehn Standplatz-Konzessionen. Um verlorene Kunden zurück zu gewinnen, schaffen sie mit zahlreichen Massnahmen aus der verlotterten Fuhrhalterei einen Vorzeigebetrieb: Als erstes sanieren sie die Personalunterkünfte, sie ersetzen u. a. alle Betten und sorgen für gesunde und ausreichende Verpflegung. Sie installieren für das Personal einen Abort - bis anhin verrichtete dieses, wie dies damals branchenüblich war, seine Notdurft in den Ställen. Zügig erneuern sie den Droschkenpark, versehen alle Droschken mit Gummibereifungen und staffieren 1896 als erste auf dem Platz Basel ihre Fahrzeuge mit «Taxiuhren» aus. Damit unterbinden sie «Mauscheleien» der Droschkiers gegenüber Kunden und dem Unternehmen. Ein fest angestellter Uniformschneider sorgt für einwandfrei sitzende Livreen. Obwohl dem Fabrikgesetz von 1887 nicht unterstellt, schliessen sie 1895 eine für das Personal kostenlose Unfall-Versicherung ab. Zusätzlich richten sie eine betriebseigene Krankenkasse und eine Taggeldversicherung ein. Ganz wichtig ist ihnen, dass nur gesunde und gut im Futter stehende Pferde eingespannt werden, die von selbst den Wagen anziehen, wenn die Bremse gelöst wird und nicht durch die Stadt geprügelt werden müssen. So wird verlorene Kundschaft zurück gewonnen, die Frequenzen steigen. Das Personal profitiert ebenfalls vom Aufschwung, da es nebst einem Taglohn von Fr. 3.- eine Umsatzprovision von 8% bezieht und auch die Trinkgelder, damals ein wesentlicher Lohnanteil, fliessen reichlicher. Damit ist es einfacher, gut motiviertes Personal zu finden.

Wie man in den Personalbüchern noch heute nachlesen kann, sind übermässiger Alkoholgenuss sowie roher Umgang mit Pferd und Wagen die häufigsten Entlassungsgründe. Der Druck, der von den sich bekämpfenden Droschkenanstalten Keller und Settelen ausgeht, führt dazu, dass der bedeutende Droschkenhalter Karl Gerspach in Konkurs geht und Jakob Gerspach sich aus dem Droschkengeschäft zurückzieht. Interessant sind die Details der Finanzierung zum Ankauf und zur Sanierung der Basler Droschkenanstalt durch die Gebrüder Settelen. Finanziert wird der Kauf 1892 durch eine Bareinlage von Fr. 30.000.- durch Ernst Settelen, die Übernahme einer bestehenden Hypothek der Handwerkerbank von Fr. 100.000.- sowie einem Darlehen der Witwe Herdener von Fr. 150.000.-. Den Notar, die Handänderungssteuern und die Gebühren bezahlen sie aus der Kasse des Tramomnibus-Geschäftes, das nach der Liquidation des Trambetriebes von der Droschkenanstalt 1896 übernommen wird. In den kommenden achteinhalb Jahren investieren sie praktisch jeden verdienten Franken in die Sanierung des Betriebes. Die beiden Prinzipale ziehen nur soviel aus dem Geschäft, als sie für die Deckung eines eher bescheidenen Lebensunterhaltes benötigen. Alleine in die Liegenschaft fliessen Fr. 17.000.-, für die Vermehrung und Modernisierung des Wagenparks und des Pferdebestandes wird zusätzlich ein Mehrfaches dieses Betrages aufgewendet. Ende 1900 stehen total 119 eigene Pferde in den Stallungen Solothurnerstrasse und Davidsgasse. Die Lücke, die durch den Wegfall des Tramgeschäftes entstanden ist, wird innerhalb von fünf Jahren mehr als nur geschlossen.

Die Basler Droschkenanstalt Settelen

Im Spätjahr 1900 reift bei Ernst der Entschluss, per Jahresende aus der Firma auszutreten. Er begründet dies mit den Worten: «Weil mir diese Arbeit nicht mehr zusagt». Da kein Gesellschaftsvertrag existiert, ernennen sie ein Schiedsgericht, das über eine gerechte finanzielle Trennung entscheiden soll. Dieses besteht aus je einem Vertrauensmann von Ernst und Julius, als Obmann amtet Bruder Emil Settelen (1852 - 1922). In einem achtseitigen Bericht fassen Ernst und Julius alle relevanten Eckdaten des Betriebes zusammen und machen eine Auswahl von Vorschlägen, wie der auszuzahlende Anteil von Ernst bewertet werden könnte. Den Entscheid des Gremiums vom 6. Februar 1901 akzeptieren beide ohne Einwände. Das «Gebr.» wird erst 1904 aus der Firmenbezeichnung gestrichen.