Vom Webstuhl zum Prius Teil III

Der internationale Durchbruch

Frühling 2012
1957 schaut die Menschheit gebannt zum Himmel. Mit dem ersten Sputnik-Satelliten beginnt das Zeitalter der Raumfahrt. Toyota richtet damals sein Augenmerk auf die USA. Zwei Jahre nach der Produktion des ersten luxuriöseren Modells - dem Crown - wagt das Unternehmen den definitiven Schritt in den US-Markt, den es mittelfristig mit Kleinwagen erobern will. Die 1957 in Kalifornien gegründete «Toyota Motor Sales, U.S.A., Inc» ist für den Konzern der Start zum weltweiten Automobil-Export. Kiichiro Toyoda, der Gründer der Toyota Motor Co., erlebt ihn nicht mehr. Er stirbt bereits 1952 im Alter von 57 Jahren.

Ein Toyopet Crown Sedan findet 1958 als erstes Toyota-Modell einen Käufer in den USA. Aber der Crown Sedan und der Land Cruiser - die einzigen Modelle, die nach Nordamerika exportiert werden - laufen schlecht. Denn sie sind für die langsame Fahrt auf den nicht gepflasterten japanischen Strassen konzipiert und passen nicht zum amerikanischen «way of life». Bis 1960 exportieren die Japaner weniger als 300 Crowns in die USA. Dann beginnt Toyota spezifische Auto-Typen für den amerikanischen Markt zu entwickeln. Das erste Modell dieser Strategie ist der Tiara, eine US-Version des Corona. Teil dieser Strategie ist die Expansion nach Brasilien. Hier eröffnet Toyota 1959 das erste Werk ausserhalb Japans und verfolgt noch stärker die Philosophie, Produktion und Design eines Modells in einer Region zusammenzulegen. Der Erfolg gibt Toyota Recht. In den sechziger Jahren vermeldet das Unternehmen für die USA einen Verkaufsrekord nach dem anderen.
 

1966 steht Toyota vor einer Bewährungsprobe. Der Grund: Der spätere Bestseller «Corolla» kommt auf den Markt. Für dessen Produktion wird ein neues Werk gebaut und dafür die gesamte Kapitaldecke ausgeschöpft. Der Corolla darf nicht scheitern, sonst sieht es düster aus. Doch der Erfolg gibt der Methode Toyota Recht. In seiner 45-jährigen Geschichte werden vom zuverlässigen Bestseller über 35 Millionen Einheiten in allen Kontinenten ausser in Australien hergestellt. Damit ist der Corolla vor dem VW-Käfer das meistgebaute Auto der Welt.

Europa im Visier

In den 1970er Jahren steht Europa auf der Agenda der Toyota-Strategen. Nachdem sich der Konzern in den USA zum grössten Importeur gemausert hat, sollen neue Märkte erschlossen werden. Als erstes europäisches Land importiert Dänemark bereits ab 1963 den Toyota Crown. Schon bald folgen Finnland, Niederlande, Belgien, Grossbritannien, die Schweiz, Schweden und Portugal. 1971 wagt sich Toyota auf den grössten europäischen Markt: Deutschland. Nach dem Crown werden anfangs nur die Modelle Carina und Corolla geliefert, doch das Portfolio wird rasch aufgestockt. Mit Celica, Camry, Hiace und Tercel bedient Toyota bald die Wünsche unterschiedlichster Käuferschichten. Das Premiumsegment wird Toyota allerdings erst ab 1989 mit der Nobelmarke Lexus erschliessen.

Auf dem europäischen Markt haben die als «Reisschüsseln» belächelten Japaner in den ersten Jahren einen schweren Stand. Aber schon zur Zeit der ersten Ölkrisen erarbeitet sich Toyota einen guten Ruf - und eine markentreue Käuferschaft. Die Wiederkäuferquote ist bei Toyota auffällig hoch. In den 1980er- und 1990er-Jahren folgen weltweit die Boomjahre für Toyota. 1980 wird das 30-millionste Modell produziert, 1999 die 100-Millionen-Marke geknackt. In Europa und der Schweiz fassen die Japaner nachhaltig Fuss - der grösste der japanischen Hersteller ist natürlich Toyota. Durch die teilweise Verlagerung der Produktion nach Europa umgeht Toyota die hohen Einfuhrzölle und integriert sich auch politisch auf dem grossen Absatzmarkt.

Das Auto wird neu erfunden: Der Prius

In den 1990er Jahren ist Toyota weltweit auf allen Märkten sehr gut positioniert. Aus dem kleinen Webstuhlunternehmen ist ein «global player» geworden. Jetzt zeigt das Unternehmen, dass schiere Grösse für Innovationen nicht hinderlich sein muss. Von der ausländischen Fachpresse kaum beachtet, beginnt Toyota 1997 den Autobau zu revolutionieren: Der Toyota Prius I kommt auf den heimischen Markt. Er ist das erste in Grossserie hergestellte Automodell mit eingebautem Hybridmotor. Die Hybridtechnologie von Toyota verbindet einen Benzinmotor mit einem Elektromotor zum ökologischsten Fahrzeugantrieb.

Erst drei Jahre später ist eine überarbeitete Version des Prius I im Ausland erhältlich. Das Äussere ist kaum verändert. Der Hauptunterschied ist die verbesserte Leistung: diese wird beim Benzinmotor auf 53 kW (72 PS), beim Elektromotor auf 33 kW (44 PS) erhöht. Die grössere und mit Schrägheck gestaltete zweite Modellgeneration kommt Ende 2003 auf den internationalen Markt, im Frühjahr 2009 die dritte. Bereits ein Jahr zuvor erreicht der Prius zwei Meilensteine: Weltweit passiert er die Millionen-Marke und in Europa entscheidet sich der 100'000. Kunde für den Hybrid-Bestseller. Just in diesem Jahr löst Toyota mit einem Absatz von knapp 9 Millionen Fahrzeugen General Motors (GM) als weltgrössten Automobilhersteller ab. Diesen Status verliert der grösste japanische Konzern wieder im Jahr 2011. Grund sind mehrere - zum Teil höchst umstrittene - Rückrufaktionen und das dadurch verlorene Vertrauen der Käufer. Heute ist Toyota hinter GM und VW die weltweite Nummer drei.

Der Toyota 2000 GT – ein Traumauto

1965 ist der Toyota 2000 GT die Sensation der 12. Tokyo Motor Show. Noch heute ist er exklusiv und heiss begehrt: Bis 1970 entstehen lediglich 351 Exemplare des teuersten japanischen Autos seiner Zeit. Der Preis ist von Anbeginn elitär. Für Fr. 33 000.– ist ein 2000 GT ab 1968 in der Schweiz zu haben. Er ist damit mehr als doppelt so teuer wie die damalige Oberklasse Toyota Crown und kostet gleich viel wie ein Porsche 911 Targa.

Mit dem 2000 GT avanciert Toyota trotz der Ähnlichkeit zum Jaguar E von einem westliche Marken imitierenden zu einem eigenständigen Hersteller von wettbewerbsfähigen Automobilen. Sein Äusseres wird durch die geschwungene Linienführung, die Magnesiumfelgen und die Klappscheinwerfer bestimmt. Diese sind für die japanischen Designer eine Knacknuss: In den USA, dem wichtigsten Markt, müssen sie sich mindestens auf einer Höhe von 24 Zoll befinden.

Unter der langen Motorhaube arbeitet ein Reihen-Sechszylinder mit zwei obenliegenden Nockenwellen und 1.988cm³ Hubraum. Die 150 PS werden durch eine 5-Gang Handschaltung auf die Hinterräder übertragen. Die Fahrleistungen machen den 2000 GT damals zum Sportwagen reinsten Wassers: Tempo 100 in zehn Sekunden, Höchstgeschwindigkeit 210 km/h.

1966 holt der 2000 GT mit einem Schnitt zwischen 200 und 206 km/h drei Langstrecken-Weltrekorde (72 Stunden, 15.000 Kilometer, 10.000 Meilen). Auch auf der Rennstrecke ist er erfolgreich (Platz 1 und 2 beim 1.000 Kilometer-Langstreckenrennen in Suzuka 1966, Sieg 1968 beim SCCA-Klasse C-Rennen in Laguna Seca).

Berühmtester Fahrer des 2000 GT ist Sean Connery. Im fünften James Bond «You only live twice» entkommt 007 den Schurken in einem 2000 GT, indem er seiner japanischen Agenten-Kollegin das Steuer überlässt. Da diese gar nicht Auto fahren kann, sind zwei Film-GTs erforderlich. Eines für die Nahaufnahmen in den Londoner Studios und ein zweites für die Actionsequenzen, bei denen eine Stuntfrau den Toyota auf japanischen Strassen pilotiert.

Verschärfte US-Gesetze für die Fahrzeugsicherheit läuten 1970 das Ende der Baureihe ein. Die Kosten für die notwendigen Änderungen sind nicht kalkulierbar. Deshalb wird die Produktion beendet. In der Schweiz haben sechs Exemplare die Jahrzehnte überlebt. Ein 2000 GT in Topzustand kostet heute über Fr. 300'000.–.

Toyotas Abenteuer in der Formel 1

In der Saison 2002 steigt Toyota mit dem Werksteam «Toyota Racing» in die Formel 1 ein. Ausgestattet mit dem (offiziell) grössten Budget von rund 500 Millionen Euro wollen die Japaner schon bald Siege in der höchsten Liga des Rennsports feiern. Mit dem TF 102, den Fahrern Mika Salo und Allan McNish und grossen Erwartungen debütiert das Team beim Grossen Preis von Australien in Melbourne. Aber Toyota muss noch Lehrgeld zahlen. Die Saison endet ernüchternd: Mit nur 2 Punkten resultiert lediglich Platz 10 in der Konstrukteure-Wertung. Erst in der Saison 2005 scheint der Durchbruch zu gelingen. Die neu verpflichteten, erfahrenen Piloten Ralf Schuhmacher und Jarno Trulli fahren erste Podestplätze ein und starten zwei Mal aus der Pole-Position. Das Team beendet die Saison mit 88 Punkten auf Rang vier.

Erklärtes Ziel von Toyota ist von Anfang an die Fahrt um die Weltmeisterschaft, nun scheint sich der Erfolg einzustellen. Der TF 106 – das Modell für die Saison 2006 – erweist sich auch als durchaus konkurrenzfähig. Aber es ist zu pannenanfällig, um damit wirklich Erfolg zu haben. Deshalb erzielt das Team nur 35 Punkte und erreicht Platz 6 in der Konstrukteure-Wertung. Ein herber Dämpfer für die hochgesteckten Ziele!

Nachdem «Toyota Racing» auch in den folgenden drei Saisons nur im Mittelfeld der äusserst kostspieligen Formel 1 mitfährt, zieht der Konzern die Reissleine. Ende 2009 gibt Toyota bekannt, das Formel-1-Programm ruhen zu lassen und sich auf das Kerngeschäft zu konzentrieren. In den acht Formel 1-Saisons startet Toyota insgesamt an 139 Grand-Prix. Das Team holt 278,5 Punkte aber keinen einzigen Sieg. Erfolgreichster Fahrer ist der Italiener Jarno Trulli mit drei 2. und vier 3. Plätzen.