Wie Automotoren in die Gänge kamen Teil III

In den ersten beiden Berichten konnten Sie sich über die Dampfautomobile sowie die Anfänge des Verbrennungsmotors informieren. In diesem Artikel steht die Entwicklung des Benzinmotors im Zentrum.

Der Benzinmotor und das Elend mit der Zündung

Als erster serienmässig hergestellter Benzinmotor gilt die 1876 vom Amerikaner Georg B. Brayton (1830 - 1892) vorgestellte «Brayton Ready Engine», ein Zweitakter mit Lufteinblasung. Brayton, wie später Gottlieb Daimler, sahen für den Benzinmotor eine Vielzahl von Verwendungen: Feuerspritzen, Boote, Strassenbahnen und auch Autos. Für den mobilen Einsatz musste aber das Gewicht des Verbrennungsmotors gewaltig reduziert werden. Auf Benzin als Treibstoff kamen die Entwickler deshalb, weil der Siedepunkt mit 70 - 80° relativ tief liegt und es sich gut zur «Carburisierung» eignet. Dazu riecht es angenehmer und ist deutlich weniger aggressiv und giftig als Benzol. Benzin wurde ab Mitte des 19. Jh. vor allem zum Entfetten von Schafwolle und etwas später auch für den Betrieb von dafür speziell konstruierten, hell brennenden Lampen verwendet. Zur Vergasung setzte man Oberflächenvergaser ein, d. h. man liess Luft über das vorgewärmte Benzin streichen. Das funktionierte bei den Lampen bestens, bei den Motoren weniger gut, hat doch Benzin die Neigung, bei kalter Umgebung zu kondensieren, was zu «nassen», zündunwilligen Kerzen führte - ein Problem, das man beim Leuchtgas nicht kannte. Dazu kam ein weiteres, auch dem Gasmotor anhaftendes Problem: Die Funkenstrecken, welche die damaligen Zündapparate erzeugen konnten, waren schlicht zu kurz. Zwar war das theoretische Wissen über die Elektrizität da, aber die Elektromechanik steckte noch tief in den Kinderschuhen. Man kannte den «Walter'schen Hammer», mit dem man Gleichstrom zerhacken und mittels einer Induktionsspule Stromstösse mit erhöhter Spannung erzeugen konnte («Ruhmkorff'scher Funkeninduktor»). Der Zündapparat verursachte ein Geräusch, das demjenigen einer heutigen Türöffneranlage glich, daher der Name Summerzündung. Eine Verbesserung stellte die Abreisszündung dar. Um die Funkenstrecke zu verlängern, wurden zwei im Zylinderkopf liegende, mit Porzellan isolierte Platindrähte im Zündzeitpunkt auseinander gezogen. Die Bewegung erfolgte von der Nockenwelle aus. Bei allen elektrischen Zündungen musste die Energie von einer kostspieligen «galvanischen Batterie» (Einwegbatterie) bezogen werden. Die alternative Flammenzündung hingegen galt als zuverlässig und im Betrieb kostengünstig. Von der Nockenwelle gesteuert, wurde zum Zündzeitpunkt im Brennraum ein «Fenster» geöffnet, hinter dem eine Gasflamme brannte. Der zusätzliche Konstruktionsaufwand war allerdings beträchtlich.

Als Carl Benz und das Team Daimler/Maybach praktisch zeitgleich aber unabhängig voneinander den Benzinmotor entwickelten, kamen sie zu sehr ähnlichen Lösungen. Beide bauten einen Viertaktmotor mit einem gesteuerten Auspuffventil und einem durch den Unterdruck des Ansaugtaktes betätigten Ansaugventils. Damit sparten sie viel Gewicht gegenüber den bei Gasmotoren üblichen Schieber-Ventilen. Weitere gemeinsame Charakteristika waren: Trockene Zylinderlaufbüchse, mit Wasser gekühlter Zylinderkopf, Oberflächenvergaser mit Schwimmer und Vorwärmung sowie Frischölschmierung durch Einzel-Öler (ca. 10 ml grosse Glasbehälterchen mit Dosierschraube versorgten die einzelnen Verbraucher). Benz baute die von ihm weiterentwickelte Summerzündung ein, Daimler die von Wilhelm Maybach neu entwickelte Glührohrzündung. Bei dieser wurde ein beidseitig offenes Stahlrohr durch die Zylinderkopfwand geführt. Ein Benzinbrenner brachte das auf der unteren Aussenseite geschlitzte Rohr zum Glühen. Das im Zylinder komprimierte Luft-/Benzin-Gemisch sollte sich möglichst auf dem oberen Totpunkt daran entzünden. Dies konnte wohl nur funktionieren, weil die Kompressionsverhältnisse der ersten Benzinmotoren bei 2,5:1 lagen (heute >10:1). Der Daimler-Motor drehte mit gut 600 U/min, während die ersten Benziner von Benz es nicht ganz auf 300 Touren brachten.

Der steinige Weg zur Alltagstauglichkeit

Es ist heute schwierig, sich den Aufwand vorzustellen, den es brauchte, um einen Automotor der Pionierzeit zum Leben zu erwecken. Damit das Auto wirklich alltagstauglich werden konnte, bedurfte es zweier entscheidender Neuentwicklungen.

Erstens: Die Erfindung des Spritzdüsenvergasers durch Maybach (1893), eine Technik, die bis zur Einführung des Katalysators in den 1980er Jahren Bestand hatte. Mit diesem Vergaser konnte erstmals die Leistung des Motors reguliert werden. Diese war zuvor immer auf Maximalleistung, d. h. «Vollgas», eingestellt. Um sie zu reduzieren, musste die Zündung auf «spät» gestellt oder gar ausgeschaltet respektive der Hub des Ansaugventils beschränkt werden - man (er)drosselte also den Motor.

Zweitens: Die 1902 von Robert Bosch (1861 - 1942) auf den Markt gebrachte Hochspannungsmagnetzündung. Die Idee für dieses Zündsystem, das heute noch Kolbenflugzeuge, Motorrasenmäher und dgl. «befeuert», lag schon lange in der Luft. 1884 führte Nikolaus A. Otto bei Deutz die «Magnetelektrische Niederspannungs-Abschnappzündung» ein. Leider taugte sie nur für eine Drehzahl von maximal 200 Umdrehungen pro Minute. Auch Maybach entwickelte zusammen mit Werner von Siemens eine Magnetzündung, doch Daimler wollte davon nichts wissen.

Der Durchbruch von Bosch löste einen Innovationsschub aus. Henry Ford (1863 - 1947), der nicht allzuviel von Lizenzzahlungen hielt, baute zwischen 1908 und 1927 in seinen legendären Ford T einen Schwungradmagnet-Wechselstromgenerator ein. Dieser diente nicht nur der Zündung sondern auch der Beleuchtung. Seine US-amerikanischen Konkurrenten doppelten mit dem Einbau des 1911 von Charles F. Kettering (1876 - 1958) erfundenen Anlassers nach. Zur Stromerzeugung setzten sie die nicht besonders effiziente aber einfach zu unterhaltende «spannungsregulierte Lichtmaschine» (Dynamo) zusammen mit einem währschaften 6-Volt-Bleiakkumulator (Batterie) ein. Dazu gehörte auch die bis vor kurzem noch gebräuchliche Batteriezündung. In Europa hielt diese Innovation nur sehr zögerlich im Verlauf der späten 1920er Jahre Einzug. Dabei gab man der etwas komplexeren aber leistungsfähigeren «stromregulierten Lichtmaschine» und einer relativ kleinen 12-Volt-Batterie den Vorzug.

Es kann nicht erstaunen, dass das deutsche Publikum sich in den ersten Jahren nicht um die «Töfftöff» - so hiessen die Autos im Volksmund - riss. Sie waren nicht nur pannenanfällig und unterhaltsintensiv - die ersten Benz verbrauchten pro km einen halben Liter Wasser - sondern auch enorm teuer. So kostete 1898 das preisgünstigste Auto, der 2,75PS «Benz Velo», 2´200 Mark, was drei Jahresgehältern eines Industriearbeiters entsprach. Die jährlichen Betriebskosten für einen 6´000 Mark teuren 9 PS-Wagen bezifferte eine Studie von 1906 mit 4´710 Mark!

Ein aufgeschlossenes Publikum fand das neue Verkehrsmittel hingegen in Frankreich. Daimler, der anfänglich in Deutschland kaum Resonanz fand, verkaufte anlässlich der Weltausstellung von 1889 in Paris dem Holzbearbeitungsmaschinen-Hersteller Panhard & Levassor und dem Velofabrikanten Peugeot Nachbau-Lizenzen sowie an De Dion-Bouton einige Motoren. Schon bald produzierte Peugeot doppelt so viele Autos wie Daimler und Benz zusammen. Die «De Dion-Bouton Voiturette» verkaufte sich zwischen 1895 und 1901 15´000 Mal und der nur gut 30 kg schwere 3,5 PS (400 ccm) Einbaumotor avancierte mit 26´000 Stück zum Marktrenner!

Ausschlaggebend für diesen Verkaufserfolg dürfte gewesen sein, dass die französischen Hersteller und Importeure zuallererst ein tolles Ausstellungslokal an der «Champs Elysées» installierten. Was die «jeunesse dorée» der Metropole kaufte, kaufte das ganze Land. Besonders publikumswirksam waren auch Wettfahrten. Emile Levassor (1843 - 1897), der die Strecke Paris - Bordeaux - Paris, also 1178 km, vom 11. bis 13. Juni 1895 in 48 Stunden und 48 Minuten, d. h. mit einem Schnitt von 24,5 km/h am Steuer eines Panhard & Levassor mit Daimler 3,5PS Motor zurücklegte, wurde als Held gefeiert, so wie heute ein «Tour de France» Sieger!

Nicht zuletzt auf Grund des schwachen Verkaufserfolges musste Daimler die von ihm gegründete «Daimler Motoren Gesellschaft AG» 1893 verlassen. Mit ihm ging auch Maybach. Unterstützt von einer englischen Investorengruppe kaufte Daimler 1895 wesentliche Anteile «seiner» Firma zurück. Maybachs Konstruktionsbüro wurde dort wieder integriert. Im Todesjahr von Daimler (1900) entwarf und baute Maybach innerhalb einer Rekordzeit von zehn Monaten den «Mercedes». Anlass war eine Festbestellung für 36 Wagen durch den K & K Generalkonsul Emil Jellinek. Ein neuer Vierzylinder 35 PS-Motor mit zwei Vergasern, Zahnradgetriebe und Bienenwabenkühler sind einige der Merkmale, die dem Hause Daimler endlich zum Durchbruch verhelfen sollten. Maybach konstruierte für Daimler noch weitere technische Leckerbissen, wie einen Rennmotor mit oben hängenden Ventilen und Doppelzündung - das Vorbild aller späteren Flugmotoren. 1906 folgte er dem Ruf des Grafen Zeppelin und gründete zusammen mit seinem Sohn Karl und dem Grafen eine Firma am Bodensee, die mit ihren «Maybach-Motoren» und «ZF-Getrieben» Weltruf erlangen sollte.

Weniger gut meinte es das Schicksal mit Carl Benz. In den 1890er Jahren verkauften sich seine Autos - für damalige deutsche Verhältnisse - sehr gut, wohl darum, weil sie am untersten Ende der Preisskala lagen. 1900 wurden 603 Wagen ausgeliefert. Lange, viel zu lange hielt jedoch Benz am Konzept mit dem im Heck liegenden Einzylinder-Motor, Flachriemengetriebe und Klotzbremse fest. Der Verkauf brach massiv ein, 1903 fanden noch ganze 173 Wagen einen Abnehmer. Die verstimmten Anteilseigner entmachteten Carl Benz und holten noch im gleichen Jahr Marius Barbarou, den Chefkonstrukteur von Clément-Bayard nach Mannheim. Mit seinem französischen Ingenieurteam schuf er eine komplett neue Autogeneration nach dem «System Panhard» (2- oder 4-Zylinder-Motor über der Vorderachse, Konuskupplung, Zahnradgetriebe, auf die Kardanwelle wirkende Bremse, Differential mit Kettenantrieb zur Hinterachse). Damit wurde die Marke «Benz» auf dem Weltmarkt verankert. Der frustrierte Carl Benz nahm im gleichen Jahr den Hut und gründete 1905 in Ladenburg mit seinen Söhnen Eugen und Richard die Firma «C. Benz und Söhne», Herstellung von Motoren und Motorwagen. Der neuen Gesellschaft blieb jedoch der Erfolg verwehrt.

Schlussbetrachtung

Carl Benz wird fälschlicherweise als Erfinder des Automobils bezeichnet. Aber ihm und Gottlieb Daimler kommt zweifellos der Verdienst zu, der Idee des benzinbetriebenen Automobils und dessen industriellen Fertigung zum Durchbruch verholfen zu haben. Den Markt in Gang gebracht, haben zweifelsohne der Comte Albert de Dion und die Söhne des Pariser Textilmaschinenindustriellen Renault. Der 4-Taktmotor wird noch heute zu unrecht nach Niklaus August Otto benannt. Unangefochten bleibt aber die Tatsache, dass er den Verbrennungsmotor, der Basis des heutigen Benzinmotors, zur Reife brachte. Der erfindungsreichste Autoentwickler der Gründerzeit war bestimmt Wilhelm Maybach - und Henry Ford der Mann, der das Auto alltagstauglich und «jedermann» zugänglich machte.