Wie Automotoren in die Gänge kamen Teil II

Der Gasmotor

Der Benzinmotor, häufig auch als Explosionsmotor bezeichnet, ist ein Verbrennungsmotor. Sein Vater ist der Gasmotor. Analog zur Entwicklung des «Dampfmotors» bedurfte es vieler Jahre der Entwicklung und Erfahrung, bis der erste Verbrennungsmotor zum Antrieb eines Fahrzeuges genutzt werden konnte. Wasserkraft und Dampfmaschine ermöglichten erst die Industrialisierung. Der Einsatz von Dampf als mechanische Antriebsquelle bedingte eine grosse Investition in Kesselhaus, Hochkamin, Kolbendampfmaschine, Transmissionen, etc. Die Bedienung wurde meist vollamtlichen Heizern und Maschinisten anvertraut. Deshalb waren Dampfmaschinen für Handwerksbetriebe unerschwinglich und zudem für den dort gewünschten «Ein - Aus-Betrieb» wenig geeignet. Die Idee, einen Kolben statt mit Dampf mittels einer Gasexplosion anzutreiben, drängte sich mit der Einführung des Leuchtgases, auch Trockengas genannt, auf. Es diente vorerst vor allem der Strassenbeleuchtung und verbreitete sich ab 1817 von London aus in alle grösseren Städte der Industriestaaten. Für eine rationelle Leuchtgaserzeugung eignete sich damals am besten Steinkohle, wobei viele Städte zuerst auf den Anschluss an das Eisenbahnnetz warten mussten, um über genügend Kohle zu verfügen.

Schon 1823 stellte der Engländer Samuel Brown den ersten, brauchbaren, mit Leuchtgas betriebenen, atmosphärischen Gasmotor mit Flammenzündung vor. In dreistelliger Zahl wurde erst der 1860 vom in Paris lebenden belgischen Ingenieur Richard Lenoir (1822 bis 1900) zum Patent angemeldete «Lenoirmotor» hergestellt. Da der Zündzeitpunkt der elektrischen Zündung dieses ebenfalls atmosphärischen Motors mit Schieberventilen nicht optimal gewählt war, lief er sehr ruppig und verbrauchte viel Gas.

Mächtig Bewegung in die Entwicklung des Gasmotors, brachte der gelernte deutsche «Handelsgehülfe» Nikolaus August Otto (1832 bis 1891) aus Holzhausen. Als technisch hoch interessierter Handlungsreisender hatte er Einblick in viele Betriebe. Er erkannte nicht nur die grosse Marktchance des Gasmotors sondern auch die Schwächen des Lenoirmotors. Otto versuchte mit Unterstützung eines gelernten Mechanikers, einen Viertaktmotor zu bauen. Als dieser explodierte, war Otto praktisch pleite. Der Kölner Eugen Langen (1833 bis 1895), Ingenieur und Sohn eines Industriellen, hörte 1864 von Ottos Pech. Zusammen gründeten sie eine Gesellschaft und fabrizierten einen verbesserten Lenoirmotor. An der Weltausstellung von 1867 errangen sie damit vor 14 anderen Ausstellern die höchst mögliche Auszeichnung, den «Grand Prix». Ihr Motor brauchte bloss die halbe Gasmenge. Damit waren sie endgültig im Geschäft. Mit zusätzlichem Kapital firmierten sie ab 1872 unter dem Namen «Gasmotoren-Fabrik Deutz AG, Köln». Gottlieb Daimler (eigentlich Däumler) aus Schorndorf (1834 bis 1900), gelernter Büchsenmacher mit Maschinenbaustudium, wurde 1872 bei «Deutz» als Leiter der Werkstätten angestellt und in den Vorstand berufen. Er brachte Wilhelm Maybach (1846 - 1929) als Leiter des Konstruktionsbüros mit. Maybach, mit zehn Jahren bereits Vollwaise, wuchs im «Bruderhaus», dem Waisenheim der Stadt Reutlingen, auf. In der dem Heim angeschlossenen Maschinenfabrik durchlief er eine Lehre als Maschinenzeichner. Danach arbeitete er dort im Konstruktionsbüro und bildete sich in Abendkursen weiter. Hier traf er 1865 auf Daimler. Bald verband sie eine tiefe Freundschaft und sie wuchsen zu einem selten effizienten und innovativen Arbeitsteam zusammen, das erst durch den Tod Daimlers geschieden werden sollte. Maybach verbesserte den von Otto 1876 patentierten Viertaktmotor mit gesteuerter Flammenzündung, der sich zum wahren Marktrenner entwickelte. Allerdings wurde Otto das Patent (Privileg Nr. 532) 1884 aberkannt, denn schon 1862 hatte der Franzose Alphonse Beau de Roche die Funktionsweise des Viertakters exakt beschrieben. 1882 zerstritten sich Daimler und Otto. Daimler trat gefolgt von Maybach aus der Deutz AG aus. Sie widmeten sich nun in Cannstadt der Entwicklung des Benzinmotors und des Automobils. In allen Industrieländern wurden damals Gasmotoren in zehntausendfacher Auflage hergestellt. Allein am Gasnetz von Berlin waren zur Jahrhundertwende 1'162 dieser Kolosse mit einer durchschnittlichen Leistung von bescheidenen 7.5 PS angeschlossen! Bis zu einigen Tausend PS stark waren hingegen die Gasmotoren, die in den Hüttenwerken während des 20. Jahrhunderts im Einsatz standen. Die Motoren trieben die «Windmaschinen» der Hochöfen an, ihr Treibstoff war Hochofengas, das bisher abgefackelt worden war. Einer der Gasmotor-Fabrikanten war der Karlsruher Carl Friedrich Benz (1844 bis 1929). Nach dem Maschinenbaustudium arbeitete er als Konstrukteur im Lokomotiven-, Fahrzeug- und Brückenbau. 1871 machte er sich selbständig. Mit wechselnden Partnern baute er Maschinen und Gasmotoren. Nur dank des Geldes seiner zukünftigen Frau entging er dem Konkurs. Schliesslich gründete er 1883 die «Benz & Cie, Rheinische Gasmotorenfabrik, Mannheim», wo er in steigender Zahl 1 bis und 4 PS-Gasmotoren baute. Es waren Zweitaktmotoren mit einer von ihm weiterentwickelten und patentierten elektrischen «Summerzündung».

Der Spätzünder «Strom»

Dampfmaschine und Gasmotor waren die Schrittmacher der Industrialisierung Europas. Während Dampf- und Gasmotoren von Praktikern entwickelt wurden, brauchte es für die Erkundung der physikalischen Gesetze der Elektrizität geniale Naturwissenschaftler. Diese entwickelten zuerst theoretische Thesen zum Strom und dessen Anwendung erprobten sie anschliessend im Labor. Für die praktische Nutzung mussten aber zuerst neue Materialien gefunden oder erschaffen werden - und dies sollte Jahrzehnte dauern. Der Italienische Graf Alessandro Volta (1745 bis 1827) stellte 1800 die «Galvanische Batterie» vor, auch Volta-Säule genannt. Durch eine Reaktion von Säure mit Metallen erzeugte er zum ersten Mal Strom. Den Dynamo verdanken wir letztlich nebst vielen anderen bedeutenden Entdeckungen dem englischen Physikprofessor und Autodidakten Michael Faraday (1791 bis 1879). In den 1820er Jahren schuf er die Theorie, wie Strom mittels mechanischer Energie erzeugt werden kann. Sein erstes Labormodell entstand 1832. In den folgenden Jahren mühten sich viele Forscher mit der Entwicklung funktionsfähiger Dynamos ab.

Den ersten brauchbaren soll 1867 der deutsche Werner von Siemens (1816 bis 1897) vorgestellt haben.
Das erste von Thomas Alva Edison (1847 bis 1931) erbaute Elektrizitätswerk ging am 4. September 1882 in New York ans Netz, wo er gleichzeitig die von ihm erfundene Kohlenfaden-Glühbirne vorstellte. Innerhalb von gut zehn Jahren wurden in vielen städtischen Agglomerationen der Industriestaaten elektrische Netze installiert. Bis zur flächendeckenden Einführung sollte aber noch mehr als eine Menschengeneration vergehen.

In Basel z. B. gab es Strom ab der Steckdose erst ab circa 1905, dies, nachdem das scheinbar obligatorische und schier endlose politische Gezerre ausgetragen worden war. Zuerst wurde hier Elektrizität mit Gasmotoren, dann mit Kohle erzeugt. Erst viel später wurde teuer zugekaufter Strom ins Netz eingespiesen - paradox, wenn man bedenkt, dass ungenutzte Wasserenergie in gewaltiger Menge mitten durch die Stadt «den Bach ab» floss!