Unterwegs mit dem Schnappkarren

Der Schnappkarren war unter diesem Namen nur im Raum Basel bekannt. Die einachsige Karre war ein sehr alltägliches kleines Transportmittel, das zeitweise fester Bestandteil des Stadtbilds war und auch im Dienste von Settelen in der «Anbauschlacht» während des Zweiten Weltkriegs unentbehrlich wurde.

Bis tief ins 20. Jahrhundert war die einachsige Karre das Universaltransportmittel in Europa. Ursprünglich wurde sie von Pferden oder Ochsen gezogen, später von Traktoren. Sie war bei Bauern und Fuhrleuten äusserst beliebt und kam auf dem Bau, zum Transport von Kohle oder auf den Äckern zum Einsatz. Je nach Funktion, Gelände oder Untergrund variierten die Grösse der Räder und das Volumen des Kastens. Regional bildeten sich unterschiedliche Typen aus. Im flachen Gebiet des Niederrheins war zum Beispiel die Schlagkarre oder Kippkarre weit verbreitet. Ihre Kästen waren in der Regel sehr gross und konnten tonnenweise Kohle transportieren. Die eisenbereiften Räder waren knapp mannshoch. Denn nur mit sehr grossen Rädern gab es ein Vorwärtskommen durch die morastigen Böden und über die schlechten Feldwege.

Im Raum Basel war ein anderer Typ Karre sehr häufig zu sehen: der Schnappkarren. Auch seine Räder waren eisenbereift, aber wesentlich kleiner als die der Kippkarre. Der Kasten war in der Regel 0.75 Kubikmeter gross. Die ohne Bremsen ausgestatteten Kippkarren oder eben der Schnappkarren erhielten ihren Namen, weil sie nach Lösung einer Sperre gekippt werden konnten. Sie waren das ideale Transportmittel für Schüttgut aller Art. 
Auch die Droschkenanstalt Settelen setzte während Jahrzehnten zahlreiche Schnappkarren ein. Bei der Gründung des Familienbetriebs (1883) an der Solothurnerstrasse - Julius Settelen ersteigerte den Betrieb seines künftigen Schwiegervaters, des Trampioniers Henri Imhoff - besass das Unternehmen zwar noch keine. Kurz nach der Gründung wurde der Fuhrpark mit den unentbehrlichen Schnappkarren ergänzt. Beim Umzug im Jahre 1907 an die Türkheimerstrasse 17, deren Bau durch zahlreiche Schnappkarren erleichtert wurde, sind im Inventar 24 Stück verzeichnet. 

Für eine saubere Stadt

Im rasant wachsenden Basel kamen die Schnappkarren auch bei der «Chemischen» zum Einsatz und sorgten mit Sicherheit ab Beginn des 20. Jahrhunderts - vielleicht schon früher - für Sauberkeit. Die Kehrrichtabfuhr besorgten damals private Fuhrhalter. So schrieb zum Beispiel das Baudepartement im November 1907 Fuhrleistungen ab dem 1. Januar 1908 für die «Strassenkehrichtabfuhr von Makadamstrassen» und «aus der innern Stadt» mit Schnappkarren aus. Die eingegangenen Bewerbungen sorgten im «Basler Fuhrhalterverband» für rote Köpfe, weil einige Mitglieder den vorgeschriebenen Verbandstarif unterboten hatten.

Wer schliesslich diesen jährlich ausgeschriebenen Auftrag erhielt, ist nicht dokumentiert. Aber spätestens ab 1925 war es die Droschkenanstalt Settelen, die neben den Schnappkarren auch die Fuhrleute und Pferde stellte, um diesen Dienst zu verrichten. Sie besorgte die Strassenreinigung und den Strassenunterhalt «im Tag-, bzw. Stundenlohn, für das Gebiet des ganzen Kantons Basel-Stadt». Unentbehrlich war dabei auch ein von Settelen gestellter «Sprengwagen», dessen Fass von kundigem Personal an Hydranten gefüllt werden musste, um die Strassen nach Vorgabe des Baudepartements mit Wasser abzuspritzen. Weiter liess der Kanton vertraglich festschreiben: «Es sind für diesen Dienst nur Pferde zu verwenden, die an den städtischen Verkehr gewöhnt sind und bei denen Scheuwerden ausgeschlossen ist.» Der Vertrag wurde jährlich erneuert und dauerte bis 1957 - gegen Ende der Periode wurde der Dienst nicht mehr mit Pferden verrichtet sondern mit motorisierten Vehikeln.

Die Anbauschlacht

Aber nicht nur zur Reinigung der Stadt hatte der Staat Bedarf an den Schnappkarren von Settelen. Auch auf dem Land kamen sie während des Zweiten Weltkrieges im Auftrag der Eidgenossenschaft zum Einsatz. Um eine mögliche Hungersnot zu verhindern, förderte der Bund unzählige Anbauwerke. Wälder wurden gerodet, Fussballplätze in Äcker umgewandelt. Die Anbaufläche wurde fast verdoppelt (von 183'000 ha zu Beginn des Krieges auf 352'000 ha bis 1945). Die sogenannte Anbauschlacht wäre ohne Schnappkarren kaum machbar gewesen. So unterstützten Traktoren und Schnappkarren von Settelen zahlreiche Anbauwerke der «neuen Agrarpolitik» - vor allem in den letzten Kriegsjahren. Sie bestellten unter anderem Felder in Movelier, Soyhières, Tavannes (JU), Wahlen bei Laufen (BL), Sennberg, Courtelary (BE), Buschberg bei Wittnau (AG) oder Romoos (LU). Trotz eines enormen Einsatzes war der Erfolg der Anbauschlacht nüchtern betrachtet bescheiden. Der Selbstversorgungsgrad stieg von gut 50% auf knapp 60%.
Die Stadtreinigung und die Anbauschlacht sind zwei ausserordentliche Episoden, bei denen die Schnappkarren von Settelen eine gewisse Bedeutung hatten. In der Regel verrichteten sie kleine, alltägliche Tätigkeiten, die keine Aufmerksamkeit erregten. Sie waren sozusagen der 2CV der Transportbranche. Es ist nicht ganz klar, wann die Schnappkarren letztmals von der Settelen AG eingesetzt wurden. Laut den (unvollständigen) Inventarkarten des Betriebs wurden die letzten im November 1957 - nach Beendigung des Strassenunterhaltsvertrags mit der Stadt - verkauft.