Das einzige ehrliche Automobil Teil II

Geschichte und Philosophie einer ganz speziellen Autofabrik

«Warum soll Checker das einzige ehrliche Automobil sein?», werden Sie sich fragen. Die Antwort ist einfach: Checker wollte immer nur ein Taxi sein und hat dem Publikum nie etwas anderes vorgegaukelt. Es musste robust sowie schnell, billig und einfach zu reparieren sein. Der geräumige Innenraum sollte der Beförderung von bis zu acht Fahrgästen dienen, die rasch und bequem ein- und aussteigen konnten. Viel Gepäckraum, guter Fahrkomfort ­ trotz hoher Tragkraft, pflegeleichte Polster, verschleissfreie Beschläge und keinerlei modischer Firlefanz waren weitere Anforderungen an das amerikanische Taxi. Es durfte aber nicht wesentlich teurer sein als ein vergleichbares «ziviles» Auto. Alle diese Anforderungen unter einen Hut zu bringen, war nur in den USA möglich. Im Unterschied zu Europa, wo die Automobilfabriken auf eine möglichst integrierte Produktion bedacht waren, bauten viele amerikanische Hersteller in ihre Chassis markenfremde Motoren, Getriebe, Antriebsachsen, Lenkstöcke etc. spezialisierter Produzenten ein. Dies gilt heute noch weitgehend bei den US-Brummis.

Das erste Checker-Taxi lief z. B. 1922 mit einem «Buda»-4-Zylinder-4,1-Liter-Motor ab dem Band. Andere, heute nicht mehr bekannte Motorenhersteller folgten. So wurden 1925 die nach Scotland-Yard-Vorschriften gebauten Londoner Checker-Taxis von einem «Wauhesha»-4-Zylinder-1,85-Liter-Motor angetrieben; das Getriebe kam von «Fuller», die Achsen lieferte «Columbia».

Nach dem Zweiten Weltkrieg kaufte Checker die Motoren bei «Continental» ­ bei uns bekannt als Hersteller von leichten Flugmotoren, ab Mitte der 60er-Jahre bei Chrysler, General Motors und Perkins. Der Wechsel der Lieferanten war und ist nur möglich, weil die US-Industrie schon früh die Schnittstellen zwischen den einzelnen Komponenten genormt hatte. Dies war ein weiterer Vorteil für die Checker-Besitzer. Sie waren bei der Beschaffung mechanischer Ersatzteile unabhängig vom Hersteller. Checker lieferte die meisten Autos an Taxiflottenbesitzer der amerikanischen Grossstädte, welche die Autos per 100 bestellten. In solchen Flotten konnten nur Autos bestehen, die den besonderen Ansprüchen dieser Profis und deren Werkstattchefs genügten. Da in solchen Betrieben die Autos das «working capital» sind, wird diesen eine maximale Produktivität abverlangt. Sie dürfen nicht unnötig herumstehen, seis in der Werkstatt oder im Waschraum und schon gar nicht wegen einer Panne liegen bleiben.

Deshalb war das Richten des Chassis als Unfallfolge bei Checker ein Fremdwort. Im Knotenpunkt der versteifenden X-Verstrebung war ein Zwischenlager für die Kardanwelle untergebracht. Dieses dämpfte nicht nur Geräusche im Antriebsstrang, sondern schonte auch Getriebe und Hinterachse. Nur die Fahrgastzelle der auf Silent-Blöcken befestigten Karosserie war in sich fest verschweisst. Alle anderen Teile waren angeschraubt. Dies ermöglichte die Behebung massiver Kollisionsschäden in Stunden statt Tagen. Die gute Zugänglichkeit zu allen Komponenten erlaubte rasches Arbeiten am Fahrzeug, der Verzicht auf nicht normierte Konstruktionsdetails erübrigte teure Spezialwerkzeuge. Die Aufzählung lässt vermuten, dass dieses Auto extrem schwer sein musste ­ war es aber nicht. Lediglich 1680 kg schwer war der 9-plätzige, 529 cm lange Checker A-12-E Marthon de Luxe mit Chevrolet-6-Zylinder-3,8-Liter-142-PS-Motor. Dieser diente von den 60er-Jahren bis Mitte der 80er- Jahre als Standardgrosstaxi in manchen Schweizer Städten. Das bescheidene Gewicht war das Resultat konsequenter Weglassung unnötiger Bauteile ­ nicht zuletzt von thermischen und akustischen Isolationen. Es gab z. B. keinen Dachhimmel, lediglich ein dünner, gelochter Hartkarton dämpfte den Widerhall des Daches. Die Gummibodenmatten waren ohne Filzunterlage mit dem Wagenboden fest verbunden.

Aggressives, salziges Schmelzwasser konnte sich so nicht zwischen Teppich und Blechboden festsetzen und zerstörend weiterwirken. Der ebene, leicht nach oben gewölbte Wagenboden ermöglichte nicht nur allem Flüssigen den direkten Weg nach aussen, er erleichterte den Fahrgästen das Ein- und Aussteigen sowie ­ zusammen mit den hohen, rechteckigen Türausschnitten ­ den Transport von Rollstuhlfahrern. Diese und viele andere Finessen waren das Resultat eines dauernden Dialoges zwischen Werk und Verbrauchern. Wie Settelen selbst feststellen konnte, liess das Werk den Verbesserungsvorschlag eines Zürcher Taxihalters innerhalb weniger Wochen in die Produktion einfliessen. Checker durfte wohl zu Recht von sich behaupten, das Werk mit der grössten Anzahl von Testfahrern zu sein!

Nach der Einstellung der Produktion im Juli 1982 verschwanden die Checker-Taxis relativ schnell aus dem Strassenbild amerikanischer Grossstädte. Ein Checker legte dort im Jahr rund 100'000 Meilen, in drei Jahren also eine halbe Million Kilometer zurück. Von Händlern aufgekauft und aufgepäppelt, wurden sie dann in die «Provinz» verkauft, wo sie noch ein paar Jahre in Betrieb blieben. Das letzte, offiziell in New York lizenzierte Checker-Taxi wurde 1999 aus dem Verkehr genommen und erzielte bei Sothebys einen Ganterlös von 134'500 USD ­ Tachostand 1'600'000 km! Fans müssen aber nicht ganz auf ihre Lieblinge verzichten. Checker-Cabs haben heute noch regel-mässige Auftritte in US-Filmen und TV-Soaps.